Die Bilder entstehen auf der Leinwand

Adrienne Braun im Gespräch mit der Stuttgarter Malerin Mona Ardeleanu

Frau Ardeleanu, Sie geben Ihren  Bildern Titel wie Falter, Zirkler, Zwirbel, Brüter und Dreidel. Sind das eigene Wortschöpfungen?

     Mona Ardeleanu: Ja, der Titel beschreibt, was die Arbeit ist: ein Ding, das es so nicht gibt. Die Titel sind immer auch deskriptiv, sie sind eine Weiterführung der bildlichen Schöpfung auf der sprachlichen Ebene. 

Diese Schöpfungen auf der Leinwand bestechen durch starke Stofflichkeit. Woher kommt diese Liebe zum Material, zu Stoffen, Trotteln, Pelzen? 

     MA: Als ich anfing zu studieren, kam ich von Comic und Graffiti und hatte noch nie auf einer Leinwand gearbeitet. Während des Studiums habe ich dann alles durchprobiert, was malerisch zu machen ist, habe auch figürlich gemalt – aber vor allem nach etwas gesucht, dass ich mir hinbiegen kann. Stoff ist da sehr dankbar, er muss nicht der Physik folgen, sondern kann dem Bild folgen. Ich kann ihn so formen, dass er für mich passt, für das Objekt, das Ding. Stoff ist da ideal. 

Also die mächtige Künstlerin, die die Wirklichkeit manipuliert? 

     MA: Ja, demiurgisch, das ist die große Freude! Es geht schon um das Demiurgische, darum, Lösungen in der Malerei zu finden, etwas so hinzubiegen, dass es eine innere Harmonie hat, einen Ruhepunkt. Es geht schon ums Biegen. 

Gibt es dabei Vorlagen? 

     MA: Nein, konkret nicht. Mittlerweile mache ich Aquarelle, die oft in Reihen entstehen, bevor ich anfange zu malen. Sie sind sehr aufwendig, ich brauche für ein Aquarell viel Zeit, bis es sitzt, aber ich erspare mir dadurch die Formsuche auf der Leinwand. Die Vorlagen werden nicht eins zu eins auf die Leinwand übersetzt, aber dadurch habe ich einen Ideenpool an Formen, an Körpern, bei denen ich weiß, wo es hingehen kann. 

Ihre Formen wirken vertraut, erinnern an etwas, das man irgendwo im Gedächtnis abgespeichert hat. Studieren Sie manchmal Muster oder Dekors? 

     MA: Das gibt es schon, dass ich zum Beispiel eine Delfter Vase google. Es ist keine strikte Haltung zur Malerei, aber ich lehne es eigentlich für mich ab, mir eine direkte Vorlage hinzulegen, weil ich weiß, dass meine Arbeiten einen Mehrwert erfahren, wenn die Dinge für das Bild entstehen und nicht von außen hineingetragen werden. 

Wie beginnen Sie ein Gemälde? 

     MA: Grau und weiß. Das Grundieren dauert lange, weil ich einen neutralen Bildgrund haben möchte – ohne Raum, Zeit, Physik. Es soll ein undefinierter Raum sein, in dem der Körper nur für sich steht. Danach fange ich mit Grau und Weiß an - und wachsen die Dinge. 

Es gibt also vorab keinen Masterplan, sondern die Körper entwickeln sich quasi von selbst? 

     MA: Die Bilder entstehen auf der Leinwand, deshalb arbeit ich auch immer an mehreren parallel. Sie beeinflussen sich gegenseitig, eines entsteht aus dem anderen, deshalb erkennt man bei mir auch immer Werkgruppen. 

Es ist eine sehr arbeitsintensive Malerei, oder? 

     MA: Ja, es ist total dämlich, so zu malen. Es ist eine super intensive Sache, aber dafür sitzt es am Ende so, wie ich es möchte. 

Die Objekte schweben im luftleeren, neutralen Raum. Warum gibt es keinen Kontext? 

     MA: Weil die Dinge selbst auch nicht verhaftet sind. Sie könnten nicht in unserer Realität funktionieren, wenn ich sie bauen würde, müsste ich sie hängen, stellen, stützen. Früher habe ich sie strahlen lassen, sie in eine Aura hineingesetzt. Inzwischen definiere ich auch keinen Lichtpunkt mehr, sondern lasse das Leuchten aus dem Körper selbst kommen. Deshalb ist es konsequent zu sagen, dass der Hintergrund ein neutraler Bildraum ist. Wobei immer mehr Arbeiten entstehen, bei denen der Hintergrund integriert wird. 

Geht es nur um Malerei oder haben diese eigenwilligen Kreaturen auch eine inhaltliche Dimension? 

     MA: Es gibt immer eine inhaltliche Dimension, die ich für mich festlege. Ich habe Themen für Reihen wie Epidermis oder Circles, wo es um den Kreis ging. Ich versuche mich zunächst zu informieren, schaue viele Dinge an – aber irgendwann kommt alles weg und gehe ich ans Malen. 

Es ist eine fast altmeisterliche Malerei. Sie stehen auch in der Tradition des Stilllebens. Ist die Kunstgeschichte für Sie eine wichtige Quelle? 

     MA: Sie ist nicht Basis für meine Malerei. Ich gehe ins Museum, manches ist für mich wichtig, aber es ist nicht so, dass ich Bezüge herstellen würde. 

Denken Sie auch an den Betrachter? 

     MA: Ja. Es ist ein Spiel mit dem Betrachter. 

Den Sie in die Irre führen wollen? 

     MA: Ich will ihn führen, stolpern lassen, ihm Türen öffnen, ihm den Weg ebnen zu Gefühlen und Erinnerungen. Es geht um das in die Irre führen, aber auch darum, Dinge offen zu lassen. Ich definiere nichts. Es soll kein zielführender Akt sein, das Bild anzuschauen, sondern schon ein Stolpern. 

Diese Dinge auf der Leinwand besitzen eine starke Haptik. Soll man durch das Auge die Materialität spüren?

     MA: Genau, ich glaube, man kommt über das Sehen recht schnell hinein, aber wenn man weitergehen will, wird es schwierig. Es geht aber auch um geometrische Formen, die angedeutet werden, stimmig aussehen, aber nicht richtig zu Ende geführt werden.  

Sie haben mit Graffiti und Comics begonnen. Da hätte man als letztes erwartet, dass Sie mal Feinmalerei machen würden. Wie kam es dazu? 

     MA: Ich war an der Kunstakademie Stuttgart in der Klasse von Alexander Roob. Ich hatte da alle Freiheiten, habe mich wirklich ausgetobt und viel ausprobiert, ich habe sogar Soundinstallationen gemacht. Aber es war mir immer klar, dass es die Malerei ist, die mich catcht. Ich war immer wieder weg und bei Malern in der Klasse. Gerade das Jahr bei Daniel Richter in Wien war eine sehr prägende Zeit – weg vom behüteten Stuttgart in diese Punkklasse, wo 38 Leute in einem Raum saßen und alles durcheinander ging. 

Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

     MA: Bevor ich nach Wien ging, sahen meine Bilder aus wie diese Klasse: riesig und voll gestopft. Buchstaben, Tiere, alles flog durcheinander. Ich habe in Wien einen alten Mallehrer gefunden, bei dem ich Maltechnik gelernt habe. Während dieses Jahres hat sich meine Malerei immer mehr reduziert, die Menschen sind rausgeflogen, die Tiere, dann ist die Schrift rausgeflogen. Ich kam zurück und habe Nester aus Stoff gemalt. 

War das Studium also wichtig für Ihre Entwicklung? 

     MA: Ich habe bei allen etwas anderes gelernt. Bei Alexander Roob habe ich gelernt zu hinterfragen, was ich male, und aus anderer Perspektive auf die eigene Arbeit zu schauen. Bei Karin Kneffel habe ich viel über den Kunstmarkt gelernt. Ich habe gemalt und gemalt, aber es war nie Thema, was ist, wenn eines Tages die Blase Akademie wegfällt. Karin Kneffel hat ihre Studenten didaktisch an die Hand genommen und auf das Künstlerdasein vorbereitet. 

Jetzt sind sie draußen und haben als frei schaffende Künstlerin mehrere Stipendien bekommen. Sind Sie schon soweit, dass Sie von der Kunst leben können? 

     MA: Ich bin jetzt im zweiten Jahre ohne Stipendium. Eine Familie zu wuppen ist noch mal eine andere Sache, aber ich für mich, das geht schon.

Wie wichtig ist für Sie die Zusammenarbeit mit Galerien? 

     MA: Sehr wichtig. Wie in jedem Geschäftsleben ist es wichtig, gute Partner zu haben. Meine Galerien machen all das, worauf ich keine Lust habe, Newsletter, Emailverteiler, Anschreiben. Ich bin froh, dass ich meine Zeit zum Malen nutzen kann. 

Sie hatten eine Einzelausstellung im Kunstmuseum Stuttgart. Das hilft vermutlich enorm. 

     MA: Das war ein Volltreffer, das hat sehr gepusht und eine breite Öffentlichkeit gebracht.

Sie haben inzwischen ein eigenes Atelier, sind Sie eher eine Einzelgängerin oder sind sie vernetzt und in stetem Austausch mit KollegInnen? 

     MA: Ich male gern allein und bin auch so ganz gern allein. Ich gehe auch mal auf eine Vernissage, aber dann ist es auch wieder gut. Wenn ich in einer heißen Malphase bin, möchte ich nicht abgelenkt werden, dann schaue ich keine Ausstellungen an, gehe nicht ins Kino, lese keine Zeitung und schaue, dass mich nichts beeinflusst. 

Sie haben mit den Faltern, Zirklern, Zwirbeln inzwischen große Virtuosität entwickelt. Gibt es etwas, was Sie reizt, was Sie erproben wollen? Haben Sie Lust, irgendwann einen anderen Weg einzuschlagen oder haben Sie das Gefühl, mit den eigenwilligen Kreationen noch längst nicht am Ende zu sein? 

     MA: Momentan klappe ich diese Körper auseinander und geht es in die Fläche. Es kommt gerade zu einer Dekonstruktion, ich falte die Körper auseinander und setzte sie wieder neu zusammen. Das wird mich sicher noch eine Weile beschäftigen. 

Das Gespräch führte Adrienne Braun.