"Augen fest geschlossen“ lautet der Titel der zweiten Einzelausstellung des Malers Ruprecht von Kaufmann (*1974 in München, DE) in der Galerie Thomas Fuchs.
Angesiedelt sind Ruprecht von Kaufmanns geheimnisvolle Bildwelten irgendwo zwischen Realität und Fiktion, Möglichem und Unmöglichem. In seiner Malerei erkundet von Kaufmann das Dasein des modernen Menschen. Er reflektiert subtil unser Handeln, Denken und Fühlen in einer von Unruhen geplagten Gesellschaft. Das Ergebnis sind Szenen voller suggestiver Kraft, die den Betrachter emotional mit einbeziehen. Der Ausstellungstitel "Augen fest geschlossen“ referiert nicht auf ein Zur-Ruhe-Kommen des Menschen, sondern spielt auf seine Ignoranz, sein Wegschauen wie auch sein Ausgeliefertsein gegenüber der Welt an. Diese Thematik zieht sich wie ein roter Faden durch die neuen Arbeiten Ruprecht von Kaufmanns.
"Paar auf dem Sofa“ (2019) zeigt beispielsweise einen intimen Blick in das Wohnzimmer eines jungen Paares, das es sich nackt auf dem Sofa gemütlich gemacht hat. Diese Szene vertrauter Zweisamkeit wird jedoch gebrochen von den Flammen, die sich vom Couchtisch im Vordergrund auszubreiten scheinen. Dass der Tisch gerade in Flammen aufgeht, scheint das Paar nicht zu interessieren. Die Bedrohung wird unbeeindruckt ignoriert. Während sich der Kopf des Mannes in nebulösen Schwaden auflöst, verharrt die Frau mit fest geschlossenen Augen in seinem Schoß.
Auch im Gemälde "Der letzte Akt“ (2019) wendet sich von Kaufmanns Protagonist vom sonstigen Bildgeschehen ab: Wir blicken in einem Zuschauerraum auf ein leuchtendes Gebirgspanorama, eingerahmt von dunklen Vorhängen. Im Vordergrund steht die ohnehin spärliche Bestuhlung verlassen da und auch der letzte Besucher, seines Gesichts und damit seiner Persönlichkeit vom grellen Licht seiner Zigarette beraubt, ist dabei, zu gehen. Die goldene Ornamentik des Vorhangs erscheint seltsam vertraut und entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Logo der Encyclopaedia Britannica, einer umfassenden und bekannten englischsprachigen Enzyklopädie. Über dem Gebirgspanorama prangt zudem das Emblem von Webster’s Dictionary. Neben der faszinierenden Rohheit der Gebirgslandschaft präsentiert sich hier den Besuchern also die Welt des Wissens und der Erkenntnis. Doch weder die Schönheit der Natur noch dieses geballte Wissen halten den Protagonisten des Bildes davon ab, sich desinteressiert wegzudrehen.
Bilder wie diese sind als Reflexion der eigenen Beunruhigung des Künstlers zu lesen. Subtil spricht Ruprecht von Kaufmann die Bedrohungen unserer modernen Gesellschaft wie beispielsweise die Zerstörung unserer Umwelt und unser Wegsehen an. Seine Bilder sind dabei jedoch nicht als anprangernde Statements zu Politik und Gesellschaft zu sehen, sondern als künstlerische Beschäftigung mit den Ängsten und Wünschen, der Verletzlichkeit, der Naivität und der Einsamkeit des Menschen. Visuell wird uns die menschliche Unruhe auf unterschiedliche Weise vermittelt: Charakteristisch ist die Instabilität der Räume und Figuren, die sich stets irgendwo zwischen Entstehen und Auflösen befinden. Neben Verwischungen kommen häufig auch Ausschabungen zum Einsatz. Seit einigen Jahren verwendet von Kaufmann farbiges Linoleum als Malgrund. Mit dem Linoleummesser schneidet der Maler ins Material, während er an anderen Stellen grobe Farbklumpen ins Bild drückt. Indem diese Bildelemente in unsere dreidimensionale Welt hineinragen, bringen sie uns in unmittelbaren Kontakt mit den Protagonisten und Geschichten der Bilder. Wir werden so als Betrachter konfrontiert und aufgefordert, unsere Augen nicht einfach zu verschließen.
Im Untergeschoss der Galerie werden mit Werken wie "Portrait H." (2017) und "Portrait M." (2017) zudem Arbeiten aus der Serie "Inside the Outside" zu sehen sein. Die Gemäldeserie, für die von Kaufmann Geflüchtete porträtierte, war zuvor Anfang des Jahres im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York und anschließend in den Museen Böttcherstraße in Bremen zu sehen. Begleitend zu diesen Ausstellungen erschien eine Publikation bei DISTANZ. Mit dieser Porträtserie gibt der Künstler einigen der Personen, die sich hinter der Flut anonymer Fernsehbilder verbergen, ein Gesicht.
Ruprecht von Kaufmann studierte Malerei und Illustration am Art Center College of Design in Los Angeles. Neben seiner Tätigkeit als Maler unterrichtete von Kaufmann bereits an der Universität der Künste in Berlin, der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg sowie der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Seine Werke sind in namenhaften Sammlungen wie der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, der Hort Family Collection in New York, der Sammlung Philara in Düsseldorf, der Collezione Coppola in Vicenza, der Collection Ole Faarup in Kopenhagen, der Sammlung Hildebrand in Leipzig oder der Sammlung Deutsche Bundesbank vertreten. Im vergangenen Jahr widmete die Kunsthalle Erfurt Ruprecht von Kaufmann unter dem Titel "Die Evakuierung des Himmels" eine Einzelausstellung. Aktuell ist der Maler in der Gruppenausstellung "Birkholm’s Echo" im Faaborg Museum in Dänemark und ab Ende September in der Gruppenausstellung "Metafysica" im Haugar Vestfold Kunstmuseum in Norwegen vertreten. Eine Einzelausstellung von Kaufmanns mit dem Titel "Die drei Prinzen von Serendip" ist zudem noch bis 15. September in der Kunstsammlung Neubrandenburg zu sehen.