Silke Hennig im Gespräch mit dem Berliner Maler Ruprecht von Kaufmann
Ruprecht von Kaufmann, Sie haben eine neue Serie von Bildern geschaffen, über die wir uns unterhalten wollen. Zunächst mal – was definiert diese Serie? Was ist das verbindende Moment?
RvK: Die Arbeiten sind alle auf schwarzem Linoleum gemalt und von reduzierter Farbigkeit, wobei ich einen älteren Werkzyklus wiederaufgegriffen habe, die Schwarzen Bilder von 2004. Es sind sehr persönliche Arbeiten, bei denen ich die Erfahrungen jetzt mit dem Corona-Lockdown und dem Druck, der auf der Familie lastete, versucht habe zu verarbeiten. Das ist eigentlich das »zusammenleimende« Element.
Wie begann das? Wann war Ihnen klar, dass da eine neue Serie entsteht?
RvK: Das entspringt eigentlich schon aus meiner Arbeitsweise, da ich fast immer in Werkgruppen arbeite. Und angefangen hat es eben mit schwarzem Linoleum als Untergrund, wobei auf diesem Linoleum noch Linien von einer früheren Arbeit waren, die mal als Hintergrund für eine Ausstellung gedient hat. Die habe ich mit eingebaut in die neuen Kompositionen. Dadurch entsteht die Möglichkeiten, dass die Bilder manchmal fast mehrere Bilder in einem oder auf eine gewisse Art gebrochen sind. Ich wollte da einen Effekt haben wie bei frühen Filmvorführungen, wo das Bild ein bisschen verrutscht ist und die Synchronisation des Bildes nicht richtig funktioniert und dadurch so Verschiebungen im Bild entstehen.
Weil das den Betrachter irritiert und zu einem genaueren Hinsehen zwingt?
RvK: Ja, das Bild nicht sofort erschließbar zu machen und damit eine intensivere Auseinandersetzung auszulösen, ist natürlich immer eine Absicht. Aber auch inhaltlich ging es bei den Bildern ganz stark um eine Verschiebung von Machtempfinden. Ich hatte das Gefühl, dass diese ganze Erfahrung mit Corona eigentlich fast so war wie ein Film, der plötzlich nicht mehr richtig auf der Spule ist oder nicht mehr richtig synchronisiert ist. Unser Leben läuft ja normalerweise mit einer - hoffentlich - relativ geregelten Klarheit ab. Und plötzlich war all das in Frage gestellt, alles plötzlich aus dem Lot geworfen, und Dinge, die wir als völlig selbstverständlich gesehen hatten, funktionierten so nicht mehr. Und die Politik ist ja auch nur noch der Situation hinterhergelaufen.
Man sieht auf diesen Bildern z.B. livrierte Gestalten marschieren, die Köpfe aber sind nicht zu sehen - als steckten sie in der Decke, sie fehlen. Und diese Figuren können also auch nicht sehen, wo sie marschieren, nämlich auf so einem kleinen Zirkuspodest. Das sind prekäre Situationen, die Sie da zeigen, über die sich die Figuren selber aber vielleicht gar nicht im Klaren sind, weil sie auch nicht sehen, was hinter ihnen ist – ein großes Tier z.B. Wie entwickeln Sie diese Szenarien, wie viel davon ist vorab geplant?
RvK: Viele von den Bildern entstanden tatsächlich sehr intuitiv: Wie diese beiden Männer in Pagen- oder Zirkusuniformen, die auf diesem kleinen Zirkuspodest im Kreis marschieren – und tatsächlich gar keine Ahnung haben, wie klein das Podest ist, auf dem sie sich immer im Kreis zu bewegen scheinen. Mich hat immer fasziniert gerade beim Zirkus, dass dort Uniformen verwendet werden, die ganz eindeutig militärische Anlehnungen haben und ich hab' mich immer gefragt, ist das eine bewusste Karikierung von Militärgehabe? Oder ist es etwas rein Dekoratives, was man da übernommen hat? Oder ist es vielleicht daraus entstanden, daß die Menschen vom Zirkus günstig irgendwo Militär-Uniformen aufgekauft haben? Ich finde das bemerkenswert, diese Überlappung mit dem militärischen Bereich, weil das eigentlich dieses ganze militärische Gehabe so ein bisschen ins Lächerliche zieht. Und das taucht immer wieder auf – wie eben auch bei dem anderen Mann, der das riesige weiße Nashorn hinter sich hat und sich so leger dagegen zu lehnen scheint, als hätte er gar nichts zu befürchten und alles unter Kontrolle und dennoch, wenn man genauer hinschaut, ist seine Körpersprache doch sehr gestelzt leger und man merkt, dass das keine entspannte Pose ist.
Er ist ja auch in einer Kipp-Situation und man weiß nicht, was für ihn besser wäre: Wenn das Nashorn einen Schritt vor oder einen Schritt zurück macht …
RvK: Genau, es sind Situationen, die, wie man im Englischen sagen würde »on the edge« also »an der Kante« sind, wo nicht vorhersehbar ist, was passiert im nächsten Moment: Geht es gut oder schlecht aus? Und das war ja auch etwas, was zumindest für mich diese Corona-Zeit sehr geprägt hat: Normalerweise gibt man sich der Illusion hin, dass das Leben planbar ist und man weiß, was im nächsten Jahr so passiert. Und gerade für mich - ich brauche relativ lange, bis ich Ausstellungen fertig habe und plane mindestens immer ein Jahr voraus meinen Ausstellungskalender. Und plötzlich gab's gar keine Ausstellungen mehr und keiner wusste mehr, was in zwei Wochen passiert. Und das war ja beileibe nicht nur mein Problem, sondern die Wirtschaft wusste nicht mehr, keiner wusste mehr, was passiert in zwei Wochen.
War das denn eine Situation, die Sie künstlerisch erst mal gelähmt hat oder war der regelmäßige Gang ins Atelier auch eine Strategie, Normalität aufrecht zu erhalten?
RvK: Na ja, es war für mich nicht mal eine Strategie, Normalität aufrecht zu erhalten, weil Maler wie ich ja immer aus dem Homeoffice arbeiten. Insofern war es erst mal für mich persönlich fast eine traumhafte Situation, weil alle Ablenkungen von außen weggefallen waren und ich in mein Atelier gehen konnte und eigentlich auch ohne größeren Zeitdruck an meinen Bildern arbeiten. Im persönlichen Bereich waren die Auswirkungen ganz andere. Gerade die Familie, die Kinder haben die negativen Auswirkungen von Corona viel stärker abbekommen. Das hat sich auch auf mich übertragen. Und dann natürlich die Unsicherheit, wie geht’s weiter? Kann man überhaupt noch Bilder verkaufen, usw? Aber letztendlich – ich hab's großartig empfunden, einfach meine tägliche Arbeitsroutine durchziehen zu können, ohne irgendwelche Unterbrechungen, wo man Bilder verpackt oder sich um andere Dinge kümmern muss. Ich konnte einfach jeden Tag ins Atelier gehen und malen und das war für mich eine traumhafte Situation.
Sie sagen, Sie haben dabei auch auf Bildträger zurückgegriffen, die schon Spuren hatten und die Sie dann eingebaut haben – zu einer Kombination aus gegenständlichen und abstrakten Elementen. Ist das aus einem Moment auch der »Revision« entstanden? Waren Sie im Atelier und haben sich alte Sachen angeguckt, um zu schauen, wie's weitergeht? Oder wie kam diese Kombination zustande?
RvK: Diese Kombination kam dadurch zustande, dass das Linoleum, das ich verarbeitet habe, eine mehr oder weniger sehr abstrakte, ganz reduzierte, lineare Malerei aufwies. Und eigentlich erst mal der Gedanke war: Okay, ich habe das jetzt hier seit vielen Jahren aufgehoben und das werde ich so nicht wiederverwenden, wie's mal war – auch weil ich wusste, ich wollte gern den schwarzen Untergrund verarbeiten. Und hab' dann auch für mich festgestellt, dass das sehr spannend war, den Bildträger zu sehen noch ohne irgendwelche Malerei und zu schauen, was passiert jetzt mit diesen Linien-Fragmenten des ursprünglichen Bildes, wenn sie so zerstückelt und in ein neues Rechteck eingeordnet sind? Es gibt ja dieses eine Bild, wo der Mann in ein Loch zu schauen scheint und hinter ihm so ein großer Stier ist. Da ergaben die Linien einfach die Andeutung eines Raums, der eigentlich gar nicht da ist. Es ist ja letztendlich reine Abstraktion, einfach nur zwei, drei weiße Linien auf schwarzem Untergrund. Und das fand ich sehr spannend, davon auszugehen und damit weiterzuarbeiten.
Malen auf Linoleum – also Öl auf Linoleum, und das dann auf Holz aufgezogen: Was macht diese Materialien oder diese Arbeitsweise für Sie so reizvoll?
RvK: Es gibt mehrere Aspekte. Erstens lasse ich mich in der Farbgebung sehr stark inspirieren durch die Farbe des Linoleums. Das gibt schon mal für mich so einen gewissen Startpunkt vor – wie ein Komponist, der eine bestimmte Tonart vorgegeben bekommt. Und dann ermöglicht es mir viel stärker abstrakte Elemente einzubauen, weil das Linoleum erlaubt, große Stellen des Bildes unbearbeitet zu lassen. Normalerweise bei einem Ölbild muss ich die komplette Oberfläche bearbeiten, damit das Bild fertig oder geschlossen ausschaut. Und das Linoleum ist von der Charakteristik Ölfarbe ähnlich genug, dass man das auch einfach stehenlassen kann und da kein Loch entsteht. Das finde ich sehr spannend. Und dann hat es eine unglaublich schöne Haptik, mit der ich sehr gut arbeiten kann, auf der die Ölfarbe sich sehr schön auftragen lässt und der Pinsel sehr schön gleitet. Und gleichzeitig entsteht durch den festen Bildträger - also sprich: dass da eine Holzplatte drunter ist – die Möglichkeit mit Spachtel, mit sehr viel Druck, mit Kraft zu arbeiten, sehr viel Körperlichkeit mit in die Arbeit zu bringen. Und das hat meine Malweise tatsächlich stark verändert und auch geprägt in den letzten Jahren. Und als letztes Element eben, dass ich oft noch mal ganz zum Schluss wieder in das Linoleum hineinschneide und dadurch Bildteile zerstöre, die Werthaftigkeit der Oberfläche eines Ölbilds dadurch in Frage stelle und auseinandernehme und z.T. die Einschnitte als eigenes Bild-Element einsetze - oder als Fehlstelle, als ein Loch im Bild.
Das sind die Elemente, die fast an Intarsien erinnern und bräunlich aussehen?
RvK: Genau, die sind in dem Fall bräunlich, weil das Linoleum sich farblich leicht verändert, wenn man hineingeschnitten hat und auch von der Oberfläche dann gröber erscheint, poröser. Bei manchen habe ich dann die Fehlstellen auch wieder ausgespachtelt mit weißer Farbe – sozusagen das Loch wieder mit »Nichts« gefüllt – und dadurch eigentlich die Fehlstelle, die geflickt wurde, noch mal deutlicher hervorgehoben.
Es herrscht ja in diesen Bildern so ein bläulich-violett-graues Licht. Würden Sie sagen, dass es Nachtbilder sind?
RvK: Das könnte man so sehen. Oder vielleicht sind es Dämmerungsbilder. Bilder, die in dem Moment entstehen, wo es anfängt, dass das menschliche Auge die Farbe nicht mehr erkennen kann. Oder vielleicht Bilder im Mondlicht und damit auch der Versuch, den Bildern noch mal etwas Rätselhafteres und auch Bedrückenderes zu verleihen, dadurch dass die Farbigkeit so reduziert und kalt ist und auf eine gewisse Art distanziert wirkt.
Welche Rolle spielt Rätselhaftigkeit in Ihren Bildern für Sie?
RvK: Rätselhaftigkeit spielt insofern eine große Rolle, als ich versuche, eine Gratwanderung hinzubekommen: Ein Bildmotiv zu finden, das den Betrachter anzieht und reizt, sich mit dem Rätsel auseinander zu setzen und sich trotzdem einer einfachen Interpretation entzieht. Ich finde, gerade bei figürlicher Malerei ist oft die Gefahr, dass sich das Bild einfach zu schnell erschließt und man denkt ‚Ah ja, okay, darum geht’s und jetzt kann ich's für mich abhaken und gehe wieder‘. Wenn das Bild aber immer wieder Fragen aufwirft, dann beschäftigt es einen auch über eine längere Zeit. Ich finde, dass die Bilder eigentlich Raum schaffen sollen, damit der Betrachter sein eigenes Ich mit ins Bild tragen kann.
Da kommen dann auch noch mal die abstrakten Elemente mit ins Spiel. Die rücken aber auch die Malerei an sich stärker in den Fokus. Geht es Ihnen darum, neben einer bestimmten Thematik auch die Art und Weise der Darstellung selbst zu verhandeln?
RvK: Ja, im Idealfall sollte sich eine Synergie ergeben aus »Wie ist ein Bild gemalt?« zu »Was will das Bild transportieren?« oder »Welche Emotionen?« – so wie es Francis Bacon sehr, sehr erfolgreich gemacht hat. Viel vom Inhalt der Bilder vermittelt sich darüber, wie sie gemalt sind. Dem versuche ich, in meinen Bildern möglichst nahe zu kommen. Und tatsächlich ist für mich der Unterschied zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit eher etwas Theoretisches, weil jedes gegenständliche Bild primär natürlich auch erst mal auf einem abstrakten Level als Komposition funktionieren muss. Und wenn es das nicht tut, kann man noch so schöne Gegenständlichkeit malen - es ist dann einfach keine gute Malerei. Insofern – wenn oft gesagt wird, dass sich Maler von Gegenständlichkeit zu Abstraktion entwickeln: Für mich ist es eigentlich eher umgekehrt, dass die Gegenständlichkeit sich aus so einem abstrakten Level heraus entwickelt.
Und dann gibt es bei Ihnen auch so einen fließenden Übergang von Malerei zu Zeichnung zu Malerei und eben auch von Ausformulierung zu Leerstellen, bzw. abstrakter Zeichenhaftigkeit. Geht es darum, diese Elemente in ein Spannungsverhältnis zu setzen?
RvK: Ja, natürlich. Das meine ich damit, dass ein Bild auf einem abstrakten Level funktionieren muss. Weil genau das sind ja die Mittel, mit denen ein abstrakter Maler arbeitet: Man versucht, Gegensätze zu kreieren und dann in einer Komposition unter einen Hut zu bringen, dass man Kontraste erstellt, dass man Harmonien erstellt. Und genau das passiert jetzt auf den Bildern - nur mit dem Unterschied, dass noch zusätzlich Figuren dazu kommen und dadurch, durch die Wiedererkennbarkeit von menschlichen Gestalten, beim Betrachter noch das emphatische Empfinden angesprochen wird. Darum bin ich der Figürlichkeit über all die Jahre treu geblieben: Weil es so spannend ist, dass wir als Menschen gar nicht anders können, als auf andere Menschen emphatisch zu reagieren. Und wir auch über viele Milliarden Jahre der Evolution ein fein ausgeprägtes Empfinden haben, selbst sehr dezente Gesten zu interpretieren. Oder ganz dezente Verschiebungen einer Pose als eine emotionale Nachricht aufzunehmen. Das ist etwas, was mich sehr fasziniert, weil es dadurch im Bild zu den malerischen Elementen, die eine bestimmte Emotion unterstreichen, noch die Möglichkeit gibt, tief in der Psyche des Betrachters anzusetzen.
Dann müssen wir an dieser Stelle aber auch die Tiere erwähnen. Es fällt auf, dass die bei Ihnen immer wieder auftauchen in den Bildern. Insbesondere zu Nashörnern scheinen Sie ein besonderes Verhältnis zu haben - was hat es mit diesen Tieren auf sich?
RvK: Tiere sind auf mehreren Ebenen sehr interessant, weil wir eigentlich überall auf der Welt schon als Kinder mit Fabeln zu tun haben und daher viele Tiere mit Assoziationen verknüpft sind: Der schlaue Fuchs, der schnelle, aber dumme Hase, der clevere Igel usw. Und man dadurch zugreifen kann auf erwartbare Reaktionen. Also ein Haifisch wird bei fast allen Menschen zu einem gewissen Grad Faszination, aber auch Grusel auslösen. Und das Nashorn – das hat zwei Inspirationsquellen: Zum einen war eines meiner Lieblingsbücher als Kind Brehms Tierleben. Und da gibt es eine Passage, wo er beschreibt, dass das Nashorn, wenn es mal in Rage gerät, blindlings auf das Ziel seines Ärgers zuläuft und so lange läuft, bis es irgendwann vergessen hat, worauf es eigentlich zu rennen wollte – in blinder Wut. Ich fand das so toll, weil es eigentlich eine Übertragung von unserem Bild von »in blinder Wut« auf ein Tier ist. Und das zweite ist natürlich das Theaterstück von Eugène Ionesco, Die Nashörner, das ich ganz großartig finde, und wo die Nashörner Sinnbild sind für so ein faschistisches Denken, das in einer Stadt um sich greift und plötzlich sind wir alle nur noch tolle Nashörner, die durch die Stadt rennen und alles zertrampeln. Das fand ich ganz passend jetzt in der Corona-Situation, wo sich gleichzeitig mit der Krankheit Verschwörungstheorien unfassbar ausgebreitet haben in Deutschland. Und die ja auch fast wie diese Verwandlung in Die Nashörner immer mehr Leute in so ein schwarzes Loch gerissen haben.
Und diese Tiere stehen ja auch immer hinter den Figuren und zwar so, dass die jeweilige Figur sie nicht sehen kann. Das gilt auch für diese Figur, die in diese schwarze Fläche oder diesen Abgrund – wie immer man es lesen will – hineinblickt. Unmittelbar hinter ihr – sie müsste eigentlich den Atem des Tieres spüren – steht da dieser Stier. Aber es ist Ihnen offensichtlich wichtig, dass diese Tiere nicht eindeutig eine Bedrohung darstellen: Es ist ambivalent, man weiß nicht, was das Tier tun wird. Auch das Nashorn hält ja im Grunde genommen diesen kippenden Sessel fest.
RvK: Genau so ist es und anders herum macht es diesen kippelnden Sessel für mich noch mal kippeliger, weil man eben genau weiß, dieses Nashorn ist extrem unberechenbar. Und dieses Equilibrium, das der Mann in seinem kippelnden Stuhl gerade für sich gefunden hat, wird dadurch noch prekärer. Indem er sich auf das Nashorn verlässt, hat er überhaupt keine Kontrolle mehr. Also für mich war das Gefühl eines Kontrollverlusts dadurch noch stärker.
Sie haben eingangs gesagt, es gab schon mal eine Serie von Schwarzen Bildern. Gibt es da eine Verbindung – abgesehen davon, dass beide Serien sozusagen »dunkel grundiert« sind ?
RvK: Ja, es gibt schon eine Verbindung darüber hinaus, weil beide Serien sich zu einem gewissem Grade mit der Reise in einen Abgrund befassen. Die Schwarzen Bilder waren inspiriert von der Orpheus-Geschichte – wo eben Orpheus in die Unterwelt reist. Und für mich gibt diese Geschichte sehr schön den Prozess des Trauerns wieder – mehr als dass sie sich mit dem Tod auseinandersetzt. Wie gehen wir als Hinterbliebene mit dem Verlust eines geliebten Menschen um? Diese Reise, die Orpheus unternimmt, um in die Unterwelt zu kommen, stand für mich immer eher für eine Weigerung, weiter zu leben. Dass er sagt: Ich kann ohne sie nicht leben und verweigere mich dem Leben, und versuche in die Unterwelt zu kommen, um sie wiederzuholen. Und man weiß eigentlich von Anfang, es wird misslingen. Er wird sie nicht zurück kriegen. Und es geht ja dann auch so aus. Und deswegen war mein Orpheus, der an verschiedenen Stellen seiner Reise gezeigt wird, immer fast wie ein Taucher unter Wasser, der so vor sich hin driftet, und eigentlich nicht vor und nicht zurück kann. Da waren auch diese Hilflosigkeit, dieses Ausgeliefertsein, die in den neuen Bildern zu sehen sind. Also es gibt schon einige Parallelen, weil ich mich auch da mit einer Situation auseinandergesetzt habe, die völlig jenseits unserer Kontrolle ist, wo wir plötzlich damit konfrontiert werden, dass dieses Gefühl, unser Leben kontrollieren und steuern zu können, eigentlich eine Illusion ist.
Ist diese neue Serie denn jetzt abgeschlossen oder führen Sie sie noch weiter fort?
RvK: Die ist jetzt abgeschlossen.
Und jetzt kommen wieder hellere Bilder?
RvK: Jetzt kommen wieder hellere Bilder. Also ich bin jetzt gerade dabei, an einer Serie von Bildern zu arbeiten - angelehnt an Bilder, die insbesondere Otto Dix und George Grosz in den 1920er Jahren von ihren Zeitgenossen gemacht haben – über meine Zeitgenossen in Berlin in den 2020er Jahren. Weil auch da, finde ich, gibt es einige Parallelen, und ich dachte mir, es ist eigentlich ganz schön, mit so ein bisschen galligem Humor meine Zeitgenossen zu malen, die ich in der Stadt sehe.
Ich bin gespannt. Vielen Dank, Ruprecht von Kaufmann, für diese Einblicke in Ihre Arbeit!